Oft erzählt – trotzdem falsch:

Die bekanntesten Fugger-Irrtümer

Jakob Fugger der Reiche sollte doch eigentlich Mönch oder Geistlicher werden, nicht wahr?
Das kann man so nicht sagen. Die Geschichte einer geplanten geistlichen Karriere von Jakob hält sich zwar hartnäckig in den Fuggererzählungen, wird aber durch die Forschungen des Historikers Peter Geffcken in Frage gestellt. Tatsächlich hatte Jakob Fugger (geb. 1459) von 1471 bis 1478 eine Pfründe im fränkischen Chorherrenstift Herrieden inne und war damit Geistlicher im weiteren Sinne. Höhere Weihen freilich, die ihn z.B. zur Ehelosigkeit verpflichtet hätten, musste er dafür nicht empfangen. Es fehlt sogar ein Nachweis, dass Jakob jemals persönlich in Herrieden war. Die Herrieder Pfründe ist also weniger Indiz für eine geplante kirchliche Karriere als vielmehr Ausdruck eines zeitüblichen Interesses an kirchlichen Einkunftsquellen.

Belegt ist dagegen durch einen Eintrag im Register der römischen Kanzlei Kaiser Friedrichs III., dass Jakob bereits mit 14 Jahren im venezianischen Handel seiner Familie aktiv war. 1473 führte er in Venedig gemeinsam mit Hieronymus Welser eine Transaktion durch, die schriftlich vermerkt wurde. Jakobs Rolle in Venedig bestand darin, seine dort früh verstorbenen Brüder Andreas und Hans zu ersetzen. Nachgewiesen ist auch, dass er erst 1487 und nicht, wie lange Zeit angenommen, schon 1478/79 nach Augsburg zurückkehrte. Es liegt nahe, dass Jakob während der langen Zeit im Ausland gründlich für den Handel ausgebildet wurde und Erfahrungen mit modernen Buchhaltungsverfahren und Geschäftspraktiken sammeln konnte.

Die frühe und langjährige Beschäftigung mit dem Handel widerspricht ebenfalls einer anderweitigen Karriereplanung. Die geistliche Pfründe in Herrieden half aber durchaus dabei, Jakobs Ausbildung zu finanzieren.

Haben die Fugger kaiserliche Schuldscheine verbrannt?

Nein. Es gibt keinen historisch gesicherten Hinweis darauf, dass Jakob oder Anton Fugger kaiserliche Schuldscheine vernichtet hätten. Auch wenn eine solche Szene sogar auf Gemälden dargestellt wurde: die Geschichte, dass Anton Fugger im Jahr 1530 vor den Augen Karls V. dessen Schuldscheine ins Feuer geworfen habe, um großmütig auf die Rückzahlung von Krediten zu verzichten, ist frei erfunden. In ähnlicher Form wurde sie auch anderen Kaufleuten angedichtet. Nach dem Fuggerforscher Richard Ehrenberg tauchte die Story in Bezug auf Anton erst Ende des 17. Jahrhunderts auf, wohl um dessen Loyalität gegenüber dem Kaiser zu verdeutlichen.

Stimmt es, dass Jakob Fugger der Reiche eine uneheliche Tochter hatte?

Eine fehlerhafte Übersetzung aus dem Lateinischen, eine verschriebene Jahreszahl und rätselhafte Zahlungen Jakob Fuggers an den kaiserlichen Rat Gregor Lamparter und dessen Sohn Hans haben tatsächlich einen Historiker zu dieser Auffassung gebracht. Andere schrieben die pikante Story ungeprüft ab und spekulierten gleich noch über eine zahlreiche Nachkommenschaft aus der angeblichen Verbindung. Zusammen mit einer Mechthild Belz hätte demnach Jakob lange vor seiner Ehe eine Tochter namens Genovefa gezeugt, die 1491 Gregor Lamparter geehelicht hätte. In einem Brief habe dieser deshalb Jakob 1515 als seinen »Schwiegervater« (»socer«) bezeichnen können.
Im selben Jahr 1515 jedoch hatte Jakobs Nichte Regina Meuting den Hans Lamparter geheiratet, was die seltenere, aber ebenfalls belegte Bedeutung von »Schwager« für das lateinische »socer« in Gregors Briefanrede an Jakob nahelegt. Denn zu einer Verschwägerung der Familien Fugger und Lamparter war es durch die Eheschließung ja zweifellos gekommen, und die Heirat erklärt auch, weshalb Jakob jetzt ein Vermächtnis für seine Nichte bzw. deren Mann auszahlte. Zahlungen Jakobs an Gregor Lamparter besaßen dagegen rein geschäftlichen Charakter, weil der Bankier Verbindlichkeiten des Kaisers für seinen Rat Lamparter beglich.

Schließlich spricht aber auch das enge Zeitfenster zwischen der Geburt Jakobs (1459) und der Heirat seiner vermeintlichen Tochter Genovefa (1491) gegen die Skandal-Geschichte, weil es sowohl eine sehr junge Braut als auch eine sehr jugendliche Zeugung voraussetzen würde - und zwar just in jenen Jahren, in denen sich Jakob Fugger außer Landes befand.

Hat Kaiser Friedrich III. den Fuggern von der Lilie ihr Wappen als Gegenleistung für eine Gefälligkeit geschenkt?

Nein. Die Fugger haben 1473 für die Verleihung der Urkunde die übliche Gebühr entrichtet, wie ein Eintrag im Reichsregisterbuch Friedrichs III. belegt. Es stimmt aber, dass Ulrich Fugger der Ältere dem Kaiser aus einer schwierigen Lage half und damit möglicherweise den Grundstein für die langjährigen guten Beziehungen der Firma zu den Habsburgern legte. Die Geschichte spielte sich so ab: Kaiser Friedrich machte in Augsburg Station, als er mit seinem Gefolge nach Trier unterwegs war. Dort wollte er Verhandlungen mit Karl dem Kühnen führen, dessen Tochter Maria als Braut für Friedrichs Sohn Maximilian auserkoren war. Prunkvolle Staffage mit reichen Gewändern war unerlässlich, um Friedrich einen ebenso würdigen wie beeindruckenden Auftritt bei dem für seine verschwenderische Pracht weithin berühmten Herzog Karl zu sichern. In Augsburg wollte Friedrich daher sein Gefolge aufwendig ausstatten und »das Hofgesind … in ein Farb bekleiden und lustig herfürstreichen lassen«. Nur fehlte es ihm an Geld. In dieser Situation wurde dem Kaiser wohl Ulrich Fugger als ehrbarer Mann für die delikate Aushilfe mit unentgeltlichen Tuchen aus den Beständen der Firma empfohlen. Den Wappenbrief zahlen mussten die Fugger später aber trotzdem.

Est! Est! Est! – hat ein Fugger den besten Wein der Welt entdeckt?

Nein. Est! Est! Est! ist die älteste und erfolgreichste Werbung mit dem Namen Fugger. Sie will einen schlichten trockenen Weißwein als den besten Wein der Welt verkaufen. Die Weinbauern von Montefiascone nördlich von Rom berufen sich seit dem 16.Jahrhundert bis heute auf den außerordentlichen Geschmack und die Urteilsfähigkeit eines Bischofs Johannes Fugger aus dem 12. Jahrhundert (! ), der schon damals, als es »die« Fugger noch gar nicht gab, in ihrem Weißwein das Spitzenprodukt erkannt haben soll. In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Bischof »Fugger« um einen Geistlichen, dessen Grabinschrift »JO… FU…« auf »Jo(hannes) FU(gger)« getrimmt wurde. Tatsächlich wusste im 12.Jahrhundert noch niemand von den Fuggern – und den ersten Fuggerschen Bischof gab es erst mit Sigismund Fugger, der 1598 Bischof von Regensburg wurde.

Pralinen – süße Erfindung für einen Fugger?

Nein. Ein französischer Koch namens Praliné soll kurz nach 1660, als in Regensburg der Immerwährende Reichstag einberufen wurde, eine Delikatesse erfunden haben, die nach ihm benannt wurde – eben die Praline. Praliné habe die Köstlichkeit für seinen Herrn kreiert, einen Grafen Fugger. Die bittere Wahrheit: Eine gute Story, die noch heute für die hohe Konditorenkunst und für die Kaffeehauskultur in Regensburg wirbt, aber leider köstlich erfunden ist. Die Praline geht womöglich auf den Koch des Grafen Plessis-Praslin (1598-1675, Marschall von Frankreich und Minister Ludwigs XIV.) zurück , der das Konfekt zu Ehren seines Herrn benannte.

Die Tulpe – von den Fuggern nach Holland gebracht?

Nein. Die Fuggersche Firma soll angeblich im 16. Jahrhundert die Tulpenzwiebel von Konstantinopel nach Holland geliefert und somit die Grundlage für das Tulpenland schlechthin gelegt haben. Wahr ist, dass der herausragende Wissenschaftler und Inhaber eines Leydener Lehrstuhls, Carl Clusius (1526 bis 1609), den jüngsten Sohn Anton Fuggers, Jakob (gest. 1598), bei einer Tour 1564 nach Spanien begleitete. Damit hatte er zwar direkten Kontakt mit Fugger. Die Kenntnis der Tulpen – sie wurden über Konstantinopel bezogen– erlangte Clusius aber durch seinen Aufenthalt in Wien, wo er von 1573 bis 1576 als Hofbotaniker Kaiser Maximilians II. wirkte. Bekannt wurde Clusius durch die Anlage eines berühmten Botanischen Gartens in Leyden, des »hortus academicus«, und durch seine grundlegenden botanischen Werke, u.a. über Tulpen. Die Fugger haben also mit dem Aufblühen Hollands als europäischem Zentrum des Tulpenhandels nichts zu tun.